Reading Time: 5 minutesHier geht’s zu einem PDF meiner Stellungnahme, und auf der Website des Parlaments findest du den Entwurf selbst und alle dazu veröffentlichten Stellungnahmen.
S T E L L U N G N A H M E zum Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz, mit dem das UniversitÀtsgesetz 2002, das Hochschul-QualitÀtssicherungsgesetz und das Hochschulgesetz 2005 geÀndert werden (GZ: 2020-0.723.953)
Sehr geehrter Herr Bundesminister FaĂmann, sehr geehrte Damen und Herren!
Als Master-Studentin der Informatik und Hauptmitglied des Arbeitskreises fĂŒr Gleichbehandlungsfragen an der TU Wien, ehemalige Studierendenvertreterin an der HTU Wien und der Bundesvertretung, sowie Jungwissenschaftlerin/Angestellter an der TU Wien möchte ich Stellung zum vorliegenden Entwurf nehmen.
Der vorliegende Entwurf möchte einige tatsĂ€chliche Probleme im Hochschulbetrieb angehen, scheitert daran aber in groĂen ZĂŒgen. Unter die problematischen Neuerungen fallen sozial selektive MaĂnahmen wie die EinschrĂ€nkung der Zulassungsfristen, die EinfĂŒhrung einer Mindeststudienleistung und Ănderungen an der UniversitĂ€tsleitung zu Ungunsten einer demokratischen, partizipativen Herangehensweise sowie einige Neuregelungen im Bereich des AKG. Hier meine Kritik im Detail:
Zu §22. (1) Z12 und Z12a.
Die geplanten neuen Rechte des Rektorates erlauben umfassende Eingriffe in Curricula. Diese Kompetenz sollte beim universitÀren Senat und seinen Arbeitsgruppen, insbesondere den Studienkommissionen, verbleiben. Den Bedarf nach Eingriffen durch in der Regel fachfremde Personen kann ich nicht nachvollziehen.
>> Diese Punkte sollten ersatzlos verworfen werden.
Zu §23b. (1)
Die Kontrolle der:des Rektor:in durch den Senat ist gut und wichtig. Eine zweite Amtszeit ausschlieĂlich vom UniversitĂ€tsrat abhĂ€ngig zu machen, stellt eine Entmachtung des Senats dar. Da der UniversitĂ€tsrat zur HĂ€lfte von der Regierung besetzt wird, ist ein (politischer) Eingriff in die Freiheit der Lehre und Forschung eine denkbare, und bedenkliche, Folge.
Sollte der Senat im Rahmen der Anhörung feststellen, dass eine Wiederbestellung abzulehnen ist, und der UniversitĂ€tsrat dennoch an einer Wiederbestellung festhalten, so wĂ€re dies dem inneruniversitĂ€ren Klima fĂŒr die kommenden vier Jahre nicht dienlich.
AuĂerdem besteht zu diesem Thema die grundsĂ€tzliche Frage der rechtlichen ZulĂ€ssigkeit, welche von Jurist:innen zunehmend angezweifelt wird (z.B. Anna Gamper, Peter BuĂjĂ€ger: UniversitĂ€t Innsbruck).
>> Diese Ănderungen sollten ersatzlos verworfen werden.
Zu § 42 Abs. 2
Der AKG ist primÀr ein Aufsichts- oder Kontrollorgan und kein Vertretungsorgan wie etwa der Senat oder der Betriebsrat. Seine Aufgabe ist, sicherzustellen, dass Angehörige marginalisierter Gruppen an den Hochschulen möglichst ungestört forschen, studieren, arbeiten und sich entwickeln können. Ein Gremium, das sich mit Minderheitenrechten befasst, durch allgemeine Wahlen zu beschicken, ist ein Paradoxon.
Ebenfalls nicht hilfreich fĂŒr die Arbeit im AKG wĂ€re es, ParitĂ€ten fix festzulegen. Es ist ohnehin schon oft schwierig genug, neue Mitglieder zu finden, ohne dass diese noch weitere Merkmale mitbringen mĂŒssen (beispielsweise Professor:innen).
>> Diese Punkte sollten ersatzlos verworfen werden.
Zu §58 (12)
Es ist definitiv begrĂŒĂenswert, dass knapp 20 Jahre nach EinfĂŒhrung des European Credit Transfer Systems endlich die entsprechenden Credits auch erstmals evaluiert â und an die realen Arbeitsanfordernisse angepasst â werden sollen. Leider fehlt jedoch weiterhin eine Definition, wie dieser Arbeitsaufwand zu beschreiben ist.
Des Weiteren sind regelmĂ€Ăige Evaluierung, transparente MaĂstĂ€be, sowie Konsequenzen bei Nicht-Einhaltung notwendig.
>> Der Absatz sollte prĂ€zisiert und erweitert werden, z.B. âDies ist jĂ€hrlich zu evaluieren. Die Evaluationsergebnisse sind in ihrer Gesamtheit allen Mitgliedern des universitĂ€ren Senats und seinen Arbeitsgruppen, insbesondere den Studienkommissionen, zur VerfĂŒgung zu stellen.â
Zu §59a
Die Idee einer Mindeststudienleistung, deren Nicht-Erreichen eine Exmatrikulation sowie automatische Sperre von 10 Jahren bedeutet, ist völlig inakzeptabel. Hier wird auf dem RĂŒcken ohnedies schon benachteiligter Studierender, unter Berufung auf das Bild von âParty-Studisâ bildungsfeindliche Politik gemacht.
Die Regelung trifft insbesondere jene, die nicht 100% ihrer Zeit dem Studium widmen können â sei es aus finanziellen (>60% der Studierenden sind laut Studierendensozialerhebung neben dem Studium berufstĂ€tig), familiĂ€ren, oder gesundheitlichen GrĂŒnden. Die in §59a (5) formulierte Ausnahme fĂŒr behinderte Studierende verwendet eine viel zu enge Defintion und schlieĂt damit viele Studierende mit psychischen und chronischen Erkrankungen aus.
>> Diese Punkte sollten ersatzlos verworfen werden.
Zu §59b. (4)
Learning Agreements, die als privatrechtliche VertrĂ€ge in öffentliches Recht eingegliedert werden sollen, vermischen zwei rechtliche Bereiche, die aus gutem Grund getrennt sind. Diese VertrĂ€ge erhöhen den psychischen Druck auf Studierende und diskriminieren jene, die solche VertrĂ€ge nicht abschlieĂen wollen. AuĂerdem können jederzeit unvorhergesehene Ereignisse eintreten, die zu ungerechtfertigten Sanktionen fĂŒr diese Studierenden fĂŒhren können.
>> Ich empfehle, diese Ănderung ersatzlos zu streichen.
Zu §59 (5)
Die EinschrĂ€nkung der fĂŒr Gremienarbeit in Frage kommenden Studierenden wird Probleme fĂŒr die KontinuitĂ€t in den Gremien bedeuten, da Studierende spĂ€ter in diese Arbeit einsteigen und kĂŒrzer bleiben können; die auflaufende Arbeit muss auf weniger Studierende verteilt werden; und es wird schwieriger, die BedĂŒrfnisse und Perspektiven der niedrigsemestrigen Studierenden in die Gremien einzubringen.
Durch die Ănderung ist eine Entdemokratisierung der Gremien und ein Verlust an ArbeitsqualitĂ€t ebendort zu befĂŒrchten.
>> Ich empfehle, diese Ănderung ersatzlos zu streichen.
Zu § 61/62
Es gibt keinen guten Grund fĂŒr eine Streichung der Nachfrist und eine Deregulierung der FortmeldezeitrĂ€ume.
Die Streichung verhindert einen nahtlosen Wechsel aus der Schule bzw. dem PrĂ€senzdienst in die Hochschule genauso wie den Ăbergang vom Bachelor- in das Masterstudium. Studierende, die in der alten Nachfrist ihr Studium abschlieĂen wĂŒrden, hĂ€tten ein Semester lĂ€nger StudienbeitrĂ€ge zu bezahlen, und die Studienzeit wĂŒrde kĂŒnstlich verlĂ€ngert. Beides wĂŒrde zu unnötigem finanziellen und psychischen Druck fĂŒhren.
ZusĂ€tzlich mĂŒssen durch das VerkĂŒrzen der Semester in §61 (2) bisher gern genutzte PrĂŒfungszeitrĂ€ume verlegt werden. Dies bedeutet weniger Zeit am Ende des Semesters fĂŒr PrĂŒfungen sowie enger zusammen liegende Termine.
>> Ich empfehle, diese Punkte ersatzlos zu streichen.
Zu § 66 (4)
Die Studieneingangs- und Orientierungsphase der Informatik an der TU Wien ist bereits jetzt nachweislich eine der restriktivsten in ganz Ăsterreich. Duch das Wegfallen der Möglichkeit, die StEOP erneut anzugehen, fĂŒhrt bei Studierenden zu mehr Stress und Angst, was wiederum zu einem schlechteren Abschneiden bei PrĂŒfungen und damit zu mehr AbbrĂŒchen fĂŒhren und die Informatikstudien in Ăsterreich noch unattraktiver machen wird.
>> Ich empfehle, diese Ănderung ersatzlos zu streichen und die StEOP abzuschaffen.
Zu § 67
Dass eine Beurlaubung innerhalb des ersten Semesters nur noch aus einer handvoll GrĂŒnden möglich sein soll, die z.B. einen plötzlichen Trauerfall nicht beinhalten, ist nicht nachvollziehbar. Ein entsprechender Fall wĂŒrde zu einer Studienzeitverzögerung fĂŒhren sowie das Risiko bedeuten, die erforderlichen ECTS fĂŒr die Mindeststudienleistung (und damit Fortsetzung des Studiums) zu erreichen.
>> Ich empfehle, diese Ănderung ersatzlos zu streichen.
Zu § 76 (3)
Der Vorschlag, nur noch jedenfalls 2 statt wie bisher jedenfalls 3 PrĂŒfungstermine pro Semester anzusetzen, steht im direkten Widerspruch zu dem Ziel, effizientes und (prĂŒfungs-)aktives Studieren zu fördern. Diese Ănderung geht zu Lasten von Studierenden, die ihr Studium flexibel betreiben möchten oder mĂŒssen (siehe Punkte zu §59a). PrĂŒfungen werden auf wenige Termine zusammengelegt, wodurch ein gröĂerer Druck besteht, einen PrĂŒfungsplatz zu ergattern. Ein Anstieg psychischer Belastung ist dabei nicht zu vermeiden.
>> Ich empfehle, diese Ănderung ersatzlos zu streichen.
Zu §89 und §116a (6)
Eine VerjĂ€hrung erschlichener Leistungen wĂ€re gerade angesichts aktueller FĂ€lle mit einem betrĂ€chtlichen Imageschaden fĂŒr die Republik Ăsterreich verbunden. AuĂerdem sehe ich es extrem problematisch an, einerseits Ghostwriting unter Strafe zu stellen, gleichzeitig jedoch die Konsequenzen fĂŒr Plagiate zu lockern und diese sogar verjĂ€hren zu lassen.
>> Ich empfehle, diese Ănderung ersatzlos zu streichen.
Zu §109
Die im Entwurf geplante BeschrĂ€nkung der Dauer befristeter ArbeitsverhĂ€ltnisse muss mit wirksamen MaĂnahmen zur Entfristung der ArbeitsverhĂ€ltnisse an den UniversitĂ€ten gekoppelt sein. Ansonsten gefĂ€hrdet diese Ănderung nicht nur das Auskommen der betroffenen Arbeitnehmer:innen, sondern auch die QualitĂ€t und Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs an den Hochschulen. Auch die Gefahr eines Brain Drain weg von österreichischen Institutionen kann nicht unterschĂ€tzt werden.
AbschlieĂend:
WĂ€hrend, wie gesagt, einige tatsĂ€chlich bestehende Probleme mit dieser Novelle aufgegriffen werden, und die Ziele nachvollziehbar und sinnvoll sind, sind die prĂ€sentierten LösungsansĂ€tze im GroĂen und Ganzen misslungen und ignorieren die tatsĂ€chlichen LebensrealitĂ€ten vieler UniversitĂ€tsangehöriger.
Ich hĂ€tte mir erwartet, dass eine so umfangreiche Novelle nicht ĂŒber die Weihnachtsferien wĂ€hrend einer Pandemie zur Begutachtung vorgelegt wird. Dies umso mehr, als z.B. die Novellierung des Studienförderungsgesetztes (Anhebung der Zuverdienstgrenze) seit dem Herbst auf Beschluss wartet. Die UG-Novelle sollte bis zur endgĂŒltigen DĂ€mpfung der Pandemie und ihrer Folgen auf Eis gelegt und dann nocheinmal vom Start weg angegangen werden.
Mit freundlichen GrĂŒĂen
Sabrina Burtscher